Was ist IPT

Interpersonelle Psychotherapie: ein evidenzbasierter, Leitlinien-empfohlener Ansatz zur Behandlung von akuten Depressionen

Die IPT ist eine ursprünglich spezifisch für die Depressionsbehandlung entwickelte Methode mit 12-20 wöchentlichen Einzelsitzungen. Unabhängig von den multiplen Ursachen einer Depression, ereignet sich eine depressive Entwicklung stets in einem psychosozialen und interpersonellen Kontext, der mitbedingend oder durch die Depression bedingt aufrechterhalten sein kann.

Ausführlichere Beschreibungen finden Sie im Behandlungsmanual: Schramm (2019).

 

Therapieziele

Ein zentrales Therapieziel ist deshalb die Bewältigung belastender zwischenmenschlicher und psychosozialer Stressoren, wie komplizierte Trauer, soziale Rollenwechsel, zwischenmenschliche Konflikte, Arbeitsstress und Isolation bzw. Einsamkeit. Zwischenzeitlich wurde das Modell auf der Grundlage fortgesetzter Forschung erweitert zur Behandlung depressiver Störungen über die gesamte Lebensspanne (von Jugendlichen bis höheres Lebensalter) sowie in verschiedenen Formaten (z.B. als Gruppentherapie, stationäres Programm, über Internet, etc.).

 

Wirksamkeit

Die IPT ist nach der Kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) die am besten untersuchte Methode in der Depressionsbehandlung. Eine Meta-Analyse (Cuijpers et al, 2016) zeigt, dass der Ansatz wirksamer war als die Kontrollbedingungen, und gleichwirksam wie Pharmakotherapie oder wie die KVT. Eine Kombination mit Antidepressiva hat sich als effizienter gezeigt als alleinige IPT oder alleinige Pharmakotherapie, vor allem auch was die Nachhaltigkeit des Behandlungserfolgs und die Verbesserung der sozialen Anpassung anbelangt. Auch die Medikamentencompliance wird durch die IPT positiv beeinflusst und die Abbruchrate erwies sich als geringer im Vergleich zu anderen Therapien.

Vorteile

Für die Patienten bestehen die Hauptvorteile der IPT in ihrer plausiblen und pragmatisch-lebensnahen Konzeptualisierung, die auch Angehörige in die Behandlung einbezieht und gezielt an den Notwendigkeiten und Bedürfnissen depressiver Patienten ansetzt. Gleichermaßen für Patienten wie gesetzliche Krankenversicherungen vorteilhaft ist der zeitlich effektive Rahmen, die nachgewiesene akute Wirksamkeit sowie die ausgeprägte Nachhaltigkeit der Methode im Vergleich zu alleiniger Medikation. Die IPT ist in relativ kurzer Zeit (24 didaktische Einheiten, 10 Supervisionsstunden über 2 Fälle) für verschiedene Berufsgruppen (z.B. Psychiater, Psychologen, Pflegekräfte, Sozialarbeiter) erlernbar und schließt mit einer Zertifizierung ab. Weiterbildungs- oder Zertifizierungskurse werden z.B. an der Freiburger Akademie für Wissenschaftliche Psychotherapie angeboten.

Durchführung

Der Behandlungsablauf war zunächst in drei Abschnitte gegliedert, die jeweils störungsorientiert unterschiedliche Ziele verfolgen, z.B. akute Entlastung und Hoffnungsvermittlung in der ersten Behandlungsphase, emotionale und bewältigende Bearbeitung des vordergründigen Fokus in der mittleren Phase, Abschluss der Akuttherapie in der dritten Phase. Der Ablauf wird aufgrund der Datenlage (hohe Rückfallgefahr bei rezidivierenden Depressionen) seit einiger Zeit durch eine vierte Erhaltungstherapiephase ergänzt (Weissman et al. 2007). Es ergibt sich demnach folgender Ablauf (nach Schramm, 2010):

I Initiale Phase (1.–3. Sitzung): Auseinandersetzung mit der Depression

  • Diagnose erheben und den Patienten (und Angehörige) über die depressive Störung und das Rationale der IPT informieren, Notwendigkeit einer medikamentösen Behandlung abklären
  • Dem Patienten die Krankenrolle zuteilen, ihn entlasten und Hoffnung vermitteln
  • Die derzeitige depressive Episode in einen interpersonellen Kontext setzen
  • Im Behandlungsvertrag den Fokus (Trauer, Konflikte, Rollenwechsel, soziale Defizite oder Arbeitsstress) und die Therapieziele mit dem Patienten festlegen
    Rollenerwartungen aneinander abklären

II Mittlere Phase (4.–13. Sitzung): Arbeit am Problembereich

  • Bearbeitung des Fokus durch angemessenes Betrauern des Verlustes, eine günstigere Anpassung an eine neue soziale Rolle, Klärung und Bewältigung von zwischenmenschlichen Konflikten, Aufbau neuer vertrauensvoller Beziehungen und/oder Herstellung einer Balance zwischen Leistungs- und Beziehungswerten
  • Die Bindungs- bzw. Beziehungsmuster, Kommunikationsstrategien sowie die Emotionen des Patienten stehen bei der Bearbeitung im Vordergrund

III. Beendigungsphase (14.–16. Sitzung): Abschied nehmen

  • Thematisieren des Therapieendes als Abschiedsprozess unter Berücksichtigung damit verbundener Emotionen (z. B. Traurigkeit, Angst, Wut, Ärger)
  • Zusammenfassung des in der Therapie Erlernten
  • Ausblick auf zukünftig zu bearbeitende Themen sowie Abklärung der Notwendigkeit weiterer Behandlung

IV. Erhaltungsphase (17.-30. Sitzung): Remission beibehalten

Techniken und Therapeutenrolle

Die in der IPT eingesetzten Therapietechniken sind größtenteils anderen Therapieformen entlehnt und zum Teil modifiziert. Im Vergleich zu anderen Psychotherapieformen wie z.B. der KVT ist die IPT weniger technik-, sondern vielmehr strategienorientiert. Im ersten Therapieabschnitt kommen hauptsächlich explorative, psychoedukative und Symptombewältigungstechniken zur Anwendung (wie z.B. Ermutigung, Ratschläge und positive Rückmeldung). In den beiden letzten Phasen der Behandlung stehen vorwiegend die Förderung von Einsicht, emotionales Lernen und zwischenmenschliche Problemlösung (z.B. Ausweitung eines Themas, Klärung, Ausdrücken und Akzeptieren negativer Gefühlszustände, Kommunikationsanalyse) im Vordergrund.

Die Gesprächsführung ist im klärungsorientierten Teil an das Vorgehen psychodynamischer Kurzzeittherapien, im bewältigungsorientierten Teil an verhaltenstherapeutische Methoden angelehnt. Die Haltung des Therapeuten ist dabei aktiv und unterstützend, stets explizit auf Seiten des Patienten (Advokatenrolle). Es ist die Aufgabe des Therapeuten die von Bowlby geforderte „sichere Basis“ aufzubauen, um dem Patienten eine angstfreie Erforschung seiner äußeren und inneren Welt zu ermöglichen.

Indikation und Kontraindikation

Der ursprüngliche Indikationsbereich der IPT bezog sich auf die Akutbehandlung ambulanter Patienten mit unipolar depressiven Episoden. Bei stationär behandlungsbedürftigen bzw. schwer depressiven Patienten konnten mit der IPT in Kombination mit antidepressiver Medikation ebenfalls Erfolge erzielt werden (Elkin 1994; Luty et al. 2007; Schramm et al. 2007). Zur langfristigen Verhinderung erneuter depressiver Episoden erwies sich eine hinsichtlich der Behandlungsdauer modifizierte Version als wirksam (Frank et al. 1990, 2007). In internationalen Leilinien empfohlen wird die IPT auch bei Bulimie und Binge Eating Disorder, bei bipolaren Störungen, bei jugendlichen depressiven Patienten und in transkuturellen Settings (Ravitz & Watson, 2014).

Kontraindiziert ist die Anwendung der IPT bei akut psychotisch depressiven, wahnhaften oder manischen Patienten. Das gleiche gilt, wenn zusätzlich zur Depression eine ausgeprägte Substanzabhängigkeit vorliegt. Bei Patienten mit einer „reinen“ Dysthymie (ohne major depressive Episoden), chronischer Depression sowie anorektischen Patienten erwies sich die Methode als nicht hinreichend erfolgreich. Der Einsatz der IPT wird in den Leitlinien der APA (2019) besonders für Patienten mit psychosozialen Problemen sowie mit beruflichen oder partnerschaftlichen Schwierigkeiten empfohlen.